Geistertanz – im Ende ein Anfang?

Der erste Tanz – Verfehlte Hoffnung

Geistertanz

Der Kreis ist geschlossen: Sie halten sich an den Händen, Männer und Frauen...hörst Du das ständige Schlagen der Trommeln? Nun singen sie, durch ständige Seitwärtsbewegungen im Kreis sich drehend: Monoton – beschwörend – die vorgeschriebenen Geistertanzlieder, tagelanges Drehen des Kreises bis zur Erschöpfung...Immer wieder die gleichen Lieder, die gleichen Rhythmen, die gleichen Bewegungen – taumeln in Trance. Betreten sie das Reich der Toten? Immer wieder hämmert die Trommel , fordert auf...Werden sie es schaffen, dass die beiden Welten sich verschmelzen, alles Gestorbene zurückkehrt, die Toten sich mit den Lebenden vereinen, die getöteten Büffel in die diesseitige Welt zurückkehren? ...Geistertanz: Das letzte Aufbäumen verdrängter, geknechteter Völker – ein Totentanz! 

In jenen alten Tagen, als der Seher und Prophet Wodziwob vom Volk der Paviotso in Nevada von der Vision heimgesucht wurde, sein Volk den Geistertanz zu lehren, glaubte er noch mit Hilfe dieses spirituellen, weitgehend friedlichen Krisenkultes, die Stämme der American Natives vor Verdrängung aus ihrem angestammten Land, vor Verelendung, Not und Tod bewahren zu können. Doch die stark motivierte religiös Bewegung mit ihren Tänzen, die nun ab 1860 einsetzten, stärkte zwar die Paviotso/Paiute in ihrem Zusammenhalt; denn Inhalt und Versprechen der Prophezeiung fielen in dieser ersten Zeit des Niederganges auf sehr fruchtbaren Boden, erreichte geschwind auch Kalifornien und Oregon, wirkte jedoch beunruhigend auf die weißen Eroberer. Die Tatsache, dass sich manches Mal 5000 bis 6000 Natives aus unterschiedlichen Stämmen zum Tanz vereinigten, trug einen wesentlichen Anteil dazu bei: Zu befremdlich mögen diese Zeremonien auf die ignoranten, selbstverliebten weißen Ursupatoren gewirkt haben, zu stark zeigten sich die Energien, die von dieser Bewegung ausgingen. Was tat es, dass zu der ursprünglichen Prophezeiung viele Stämme noch Inhalte hinzufügten oder die Tänze mit eigenen Elementen ausstatteten. Erfolglos blieben die inbrünstigen Tänze, Wodziwob widerrief seine Prophezeiung 1872, die Trommeln verstummten. 

Der zweite Tanz – Auftakt zum Totentanz oder der Geistertanz des Wovoka und die Mission des Kicking Bear (Matȟó Wanáȟtake)

Wovoka
© Bildquelle: Wikipedia Wovoka: US gemeinfrei auch für USA

Sein Ausruf ging in die Geschichte ein: „Indianer! Es gibt keinen mehr außer mir“. Er hatte sie einem Journalisten zugerufen. Enttäuschung und Verzweiflung lagen in diesen Worten, die die Tragödie des 27. Juli 1889 widerspiegelten: Mit Verrat und List hatten John Grass und seine Häuptlinge gegen den Willen Sitting Bulls (Tȟatȟáŋka Íyotake – „Sich setzender Bulle“) den Vertrag unterzeichnet, der das letzte große Sioux-Reservat der Natives in kleine Inseln zerteilte, in einem Meer weißer Siedler. Etwa ein Jahr nach der schmählichen Aufteilung, am 9. Oktober 1890, erreichte Besuch den großen Häuptling in seiner Niederlassung am Standing Rock, der Minneconjou Kicking Bear von der Agentur am Cheyenne River. Wundersames wusste er zu berichten: Wovoka, bekannt als Messias der Paiutes, hatte die Religion des Geistertanzes gegründet.

 

Kicking Bear berichtete nun von der langen Reise, die er mit seinem Schwager Shot Bull unternommen hatte, um den „Messias“ hinter den Shining Mountains zu suchen, von einer weiten Fahrt mit den Wagen des „Eisernen Pferdes“ bis zu dem Ort, wo die Sonne untergeht. Schließlich fanden sie ihn bzw. warteten sie mit Hunderten anderer Indian Natives aus verschiedenen Reservaten am Walker Lake, um das Geheimnis des Geistertanzes kennen zu lernen. Dutzende verschiedener Sprachen umschwirrten den „Messias“ als er am dritten Tag im Licht der untergehenden Sonne erschien und in dem Flackern der Flammen des großen Feuers, das entzündet worden waren, damit er besser gesehen werden konnte. Ein langes Schweigen war entstanden, das dann durch den Schamanen unterbrochen wurde, der ihnen unterbreitete, dass er sie einen neuen Tanz lehren wolle, den sie von nun an tanzen sollten. Sie tanzten bis in die späte Nacht den Tanz der Geister, bis Wovoka sagte, dass sie nun genug getanzt hätten.

 

Es hatte die versammelten Natives überrascht, dass dieser Mensch, von dem die Rede ging, dass er der wiedergekehrte Christus sei, von dem die weißen Siedler sprachen, in der Gestalt eines Indianers wiedergekehrt war. Aber der Prophet, der bei einer strenggläubigen Mormonenfamilie gelebt hatte, belehrte sie am anderen Morgen, dass Gott den Christus auf die Erde geschickt habe, um die Menschen zu lehren, aber die Weißen hätten ihn misshandelt und seinen Körper mit Wunden bedeckt, so dass er wieder zurück zum Himmel gegangen sei.

 

Nun sei er zur Erde als Indianer wieder gekommen, er werde nun alles neu und besser machen. Wovoka vermittelte seinen gebannten Zuhörern ein eigenwilliges Bild der Auferstehung und des in der Offenbarung prophezeiten „neuen Himmels und der neuen Erde“: Im nächsten Frühling wenn das Gras kniehoch sei, so predigte er, werde neuer Boden die Erde bedecken und die Weißen unter sich begraben. Dieses neue Land würde voll süßen Grases, fließenden Wassers und reich mit Bäumen sein, und auch die großen Herden der wilden Pferde und Büffel würden in den Steppen grasen. Die Geistertänzer würden in Levitationen hoch gehoben werden, während die Woge neuen Lebens sich ausbreite und dann zwischen die Geister ihrer Ahnen niedergesetzt werden, nur Indianer würden auf der neuen Erde leben. Gewaltlosigkeit predigte er ihnen: „Ihr dürft niemanden Schaden zufügen, ihr dürft nicht kämpfen. Tut stets das Gute“.

 

Wundersames wusste Kicking Bear weiterhin zu erzählen: Er und seine Freunde hätten einige Tage am Walker Lake verweilt, den Geistertanz gelernt und seien dann auf die Pferde gestiegen, um zur Eisenbahn zurückzukehren. Während des ganzen Weges sei „der Messias“ über ihnen in der Luft geflogen und habe sie die Lieder des Geistertanzes gelehrt. Beim Verlassen an der Eisenbahn bat er sie, dass sie zu ihren Leuten zurückkehren sollen und das, was sie gelernt und erfahren hätten, weitergeben. Nach dem nächsten Winter werde er ihnen die Geister ihrer Väter bringen, damit sie sich nach der Auferstehung mit ihnen vereinen könnten.

 

Kicking Bear
© Bildquelle: Wikipedia Kicking Bear: PD auch gemeinfrei für USA

Kicking Bear habe nach seiner Rückkehr den Geistertanz am Cheyenne River eingeführt, Short Bull an dem Rosebud und andere an den Pine Ridge. Die Minneconjous-Gruppe Big Foots bestand hauptsächlich aus Frauen, deren Männer in Kämpfen gefallen waren. Sie tanzten bis sie ohnmächtig wurden, um ihre toten Krieger wieder zurückzuholen.

 

Skeptisch hatte Sitting Bull den Ausführungen zugehört, er glaubte nicht, dass Tote wieder zurückkehren und leben könnten, doch seine Leute hatten vom Messias und dem Geistertanz gehört und fürchteten unterzugehen bei der neuen Auferstehung. Sitting Bull hatte nichts dagegen, wenn seine Leute den Geistertanz tanzten, er hatte jedoch davon gehört, dass die Agenten in einigen Reservaten Soldaten anforderten, um die Tänze zu unterbinden. Der große Häuptling wollte es vermeiden, dass Soldaten kamen, seinen Leuten Angst einjagten oder auf sie schossen. Kicking Bear zerstreute seine Einwände mit der Behauptung, dass die Gewehrkugeln der Blauröcke niemanden etwas anhaben könnten, wenn sie die heiligen, mit magischen Geistersymbolen bemalten Geisterhemden des Messias trügen. Der „sitzende Bulle“ blieb weiterhin skeptisch, lud aber nichtsdestotrotz Kicking Bear ein, bei seiner Gruppe am Standing Rock zu bleiben und sie den Tanz der Geister zu lehren. Wie ein Prairiefeuer bei Sturm breitete sich der Geistertanz aus, versetzte die Agenten in Unruhe , aufgeregte Armeeoffiziere und Inspektoren des Indian Bureau versuchten, die Bedeutung zu ergründen und so dauerte es nicht lange bis die Behörden den Tanz verboten.

 

Niemand der Weisen hatte erkannt, dass der Geistertanz durchaus christlichen Werten entsprach, wenn auch mit andersartigen Ritualen, sie fürchteten die Tanzenden und die Soldaten setzten sich in Marsch. Bereits eine Woche nachdem Kicking Bear zum Standing Rock gekommen war, um Sitting Bulls Leute den Geistertanz zu lehren, befahl White Hair McLaughlin einem Dutzend Indianer-Polizisten Kicking Bear aus dem Reservat zu entfernen. Aber Kicking Bears heilige Aura erfüllte die Beauftragten mit Ehrfurcht und sie berichteten dem Häuptling von ihrem Auftrag, dieser aber lehnte es kategorisch ab, etwas zu unternehmen. Jedoch am 16. Oktober wurde Kicking Bear von einem größeren Polizeiaufgebot aus dem Reservat verbracht. Das anschließende Bemühen McLaughlins Sitting Bull verhaften zu lassen und in ein Militärgefängnis einzusperren, verlief ergebnislos. Der Kommissar für indianische Angelegenheiten kam mit dem Kriegsminister zu dem Schluss, dass eine solche Maßnahme eher Unruhen erzeugen als verhindern würde.

 

Das Schlagen der Trommeln erfüllte die Reservate, der Geistertanz hatte Mitte November so um sich gegriffen, dass das ganze übrige Leben fast zum Erliegen gekommen war. Kein Kind ging zur Schule, die Läden waren leer, auf den kleinen Farmen wurde nicht gearbeitet. Entsetzt telegrafierte der Agent von Pine Ridge nach Washington: „Die Indianer tanzen im Schnee und sind wild und verrückt..Wir brauchen dringend Schutz und zwar schnell...“

 

In der Folge forderte das Indian Bureau am 20. November alle Agenten auf, die Namen der „Unruhestifter“ unter den Geistertänzern mitzuteilen. Die schnell zusammengestellte Liste wurde an das Armeehauptquartier weitergeleitet. Bear Coat Miles entdeckte den Namen Sitting Bulls darauf und schloss daraus, dass er der Verursacher der Unruhen sei. ... In einer Verkettung von Intrigen, in die auch Buffalo Bill, mit dem Sitting Bull durch das Land gereist war, miteinbezogen werden sollte, verschärften die Truppen der Armee immer mehr die Lage. Der Ratschlag des Dr. Valentine McGillycuddy, eines ehemaligen Agenten, , den man um Rat zur Lösung des Konfliktes gebeten hatte, die Natives weiterhin den Tanz der Geister aufführen zu lassen („wenn die Adventisten ihre Gewänder anlegen, um auf die Wiederkehr des Erlösers zu warten, wird auch nicht die Armee der Vereinigten Staaten gerufen“) wurde verworfen.

Sitting Bull
© Bildquelle: Wikipedia - Sitting Bull (1885): David F. Barry, auch gemeinfrei für die USA

Mit dem Herannahen des 15. Dezember 1890 überschlugen sich die Ereignisse: Kurz vor Tagesanbruch umzingelten 43 Indianerpolizisten Sitting Bulls Blockhütte, Leutnant Bull Head fand den Häuptling schlafend auf dem Boden vor, der ihn ungläubig anstarrte. „Du bist mein Gefangener“ antwortete Bull Head dem verdutzten Sitting Bull, „du musst zur Agentur mitkommen.“ Gähnend richtete sich der Häuptling auf, erklärte sich einverstanden und bat den Polizisten während er sich ankleidete, sein Pferd satteln zu lassen. Geistertänzer hatten sich inzwischen vor der Hütte versammelt, den Polizisten um ein Vierfaches überlegen. Einer der Tänzer, Catch-the-Bear, rief Bull Head zu „du nimmst ihn nicht mit“. Sitting Bull wehrte sich nun, so dass Bull Head und Sergeant Red Tomahawk begannen, ihn zu seinem Pferd zu zerren. Das war der Moment, in dem Catch-the-Bear seine Decke abwarf, ein Gewehr hob und auf Bull Head feuerte, der, in die Seite getroffen, zu Boden fiel, aber im Fallen noch versuchte, auf den Angreifer zu schießen. Doch die Kugel traf nicht Catch-the-Bear, sondern Sitting Bull, der fast gleichzeitig von Red Tomahawk in den Kopf geschossen und getötet wurde.  Das alte Zirkuspferd Sitting Bulls, das ihm Buffalo Bill einst geschenkt hatte, führte während der Schießerei seine alten Kunststücke auf: Es setzte sich, richtete sich auf, hob seinen Huf, tänzelte ...allen schien es geradeso als tanze es den Tanz der Geister...  Es war der Totentanz für Sitting Bull und letztlich der Auftakt für das Massaker an den Lakota-Sioux am Wounded Knee...  Hörst Du die Trommeln aus der Ferne? Männer und Frauen im Kreis, die sich an den Händen halten mit seitwärtigen Schritten im Tanz. Hörst Du sie singen? 

Ich, Amarok, sehe sie! Im Rad der ewigen Wiederkehr sind sie zurückgekommen, sie leben – oft auch mit weißer Haut – und sie lehren: Liebe, Gewaltlosigkeit, Gutes zu tun, Freiheit und Gerechtigkeit für alle, die guten Willens sind!

 

Fast Euch an den Händen, dreht Euch im Kreis für die neue Erde!

 

Wovoka (Geistertanz)

Tanzen wir, es ist noch Tag

Jeder Schritt ein Trommelschlag

Den der Puls des Lebens uns diktiert.

Lange warst Du eher stumm

Steif nach außen, innen krumm

Endlich strahlt Dein Lachen ungeniert.

 

Bei allem was Dir heilig ist

Um alles was Du gern vergißt

Du weißt es heißText: In allem ist ein Lied

Tanz für die Erinnerung

Tanz für die Verschlimmerung

Des Schlimmsten das man noch nicht deutlich sieht

 

Tanzen wir, es braucht ein Beben

Laß uns mehr als überleben

Gib mir fünf und einen Schmetterling

Gib mir Flutlicht, tanz mir Sturm

Zeig mir einen Regenwurm

Der, wenn er durch Scheiße kriecht, nicht stinkt.

 

Geistertanz für die gehängten

Philosophen, die bedrängten

Wer raubt uns den Verstand für die Beschränkten?

Du und ich im Kuckucksnest

Kannst Du fliegen? Halt mich fest

Ist das hier das Leben, oder'n Test?

 

Wir kenn' die Bilder der missbildeten Babies durch Chemie

Wir kenn' die Villen der Millionäre durch die Industrie

Wir pflegen höchstens uns're Schlachtenordnung - keinen Freundeskreis

Wir könn' Musik nicht mehr ertragen ohne schräge Töne

Ungeheuerliches sagen, nur nicht mehr das Schöne

Wir haben zu genau verstanden: Alles hat sein' Preis

 

Der Tanz der Tänze darf nicht mehr warten

Es gibt keine Grenze zum wilden Garten

Städte und Paläste werd'n zerfallen

Die Reaktoren stillgelegt

Straßen, die nur Wind noch fegt

Und Gras wird ewig wachsen über allem

 

Musik: Gogow

Text: Eisbrenner