In jenen fernen Tagen beobachtete ich Dich
Ich sah...
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Deine Leichtigkeit des Seins und Deine Freude, auch an jenem Tag als Deine alte Rudelführerin Dir die rote Kappe schenkte. Sie wohnte tief in meinem Revier, aber sie störte mich nicht; denn sie jagte nicht und tötete nicht die Beute, die mir gehörte. Und auch Du pflücktest nur Blumen, nahmst Pilze mit – das gab ich Dir gerne.
Aber der Alte im grünen Rock mit dem Schießstock, den mochte ich nicht. Er tötete das Wild, die Nahrung meines Rudels über Gebühr: Er wählte nicht nach Krankheit und Gebrechen aus, wie ich, um es von den künftigen Leiden zu erlösen: Die Alten, die Schwachen und die neu mit Krankheit Geborenen. Er wählte nach Trophäen aus, um sich mit den Kronen des Dam- und Rotwilds zu brüsten, Vorräte für seine Kammer im Überfluß anzusammeln, die mir und den Meinen fehlte; unsere Vorratskammern sind nicht auf Jahre im Voraus bestückt.
Er war der Fürchterliche, der die Wolfsangeln ausgelegt hatte, an denen einige meines Packs einen qualvollen Tod erlitten, ihn hasste ich und beobachtete jeden seiner Schritte und all sein Tun. Und dann sah ich, wie er Deine alte Rudelführerin durch das Fenster bespitzelte als sei er auf einem Beutezug, sie, die harmlos bei ihrer kleinen Lampe im trüben Morgenlicht ihre Arbeit verrichtete, und ich witterte – erriet seine bösen Gedanken vor einer bösen Tat.
Es war der Tag, an dem Du jene Frau, die Du Großmutter nanntest, mit einem Korb voll menschlicher Nahrung besuchtest. Aber bevor Du die einsame Hütte betreten konntest, lag der Alte mit dem Schießstock auf der Lauer, voller Gier; denn nicht nur auf meine Vorräte hatte er es abgesehen, sondern auch auf den Vorrat Deiner Vorfahrin, Sparstrumpf nennt man es wohl in Eurer Sprache.
Nein, er lag nicht in meinem Beuteschema, wie alle Menschen, aber die Ruchlosigkeit seines Vorhabens hieß mich, mein Werk zu verrichten. Lautloses Gehen, lautloses Handeln bin ich gewohnt und so war der Sprung und der tötende Biss ein Leichtes. Ich hatte zwar gegen das alte Wolfsgesetz, nie einen Menschen zu töten, verstoßen, aber ich bereute es nicht – nur das Eine grämte mich: Jenes Märchen, das über jenen Tag erzählt wurde und dass Du seit dieser Zeit voller Furcht vor mir warst, dass meine Familie nun verfolgt und viele von uns getötet wurden und die Großmutter aus ihrem Häuschen zog...
Aber jetzt, da Dir die Wahrheit bekannt ist – komm‘ wieder zurück in den Wald, bring‘ die Großmutter mit...Angesichts vieler Gemeinsamkeiten können wir gewiss zusammen leben und wenn Du mich siehst, erschrick nicht – ich zeige mich nur denen, die ich liebe!